Artikel 2 – Begriffsbestimmungen: Eine Einführung in die Definitionen der MDR

Die Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte (Medical Device Regulation, MDR) ist eine der wichtigsten Regelungen, die den Markt für Medizinprodukte in der Europäischen Union definiert. Eine der zentralen Grundlagen dieser Verordnung ist Artikel 2, der Begriffsbestimmungen enthält. Diese Definitionen sind essenziell, um ein einheitliches Verständnis der Regelungen zu gewährleisten und die korrekte Anwendung der Verordnung sicherzustellen.

In diesem Beitrag werden wir untersuchen, was genau ein Medizinprodukt ist, welche rechtliche Bindung die Begriffsbestimmungen haben und wie sich Zubehör von Medizinprodukten unterscheidet. Darüber hinaus werden vier zentrale Definitionen aus Artikel 2 detailliert besprochen.

Was ist ein Medizinprodukt laut MDR?

Die Definition eines „Medizinprodukts“ nach Artikel 2 Absatz 1 der MDR ist äußerst umfassend und dient dazu, die Vielzahl an Geräten, Instrumenten und Technologien, die unter die Verordnung fallen, zu erfassen. Ein Medizinprodukt ist jedes Instrument, Gerät, Implantat, Reagenz oder Material, das vom Hersteller für die Anwendung am Menschen bestimmt ist, um mindestens einen der folgenden medizinischen Zwecke zu erfüllen:

  • Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten.
  • Diagnose, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensation von Verletzungen oder Behinderungen.
  • Untersuchung, Ersatz oder Veränderung der Anatomie oder eines physiologischen oder pathologischen Vorgangs.
  • Gewinnung von Informationen durch die In-vitro-Untersuchung von Proben menschlichen Ursprungs.

Eine wichtige Einschränkung dieser Definition ist, dass die primäre Wirkung des Produkts nicht durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Mittel erreicht werden darf, auch wenn solche Mittel unterstützend wirken können. Diese Abgrenzung ist entscheidend, um Medizinprodukte von Arzneimitteln zu unterscheiden.

Ein Beispiel: Eine künstliche Herzklappe wird als Medizinprodukt klassifiziert, da sie direkt den Blutfluss im menschlichen Körper reguliert und somit eine physiologische Funktion unterstützt. Im Gegensatz dazu würde ein Medikament, das den Herzschlag beeinflusst, als Arzneimittel eingestuft.

Darüber hinaus gelten auch folgende Produkte als Medizinprodukte:

  • Produkte zur Empfängnisverhütung oder -förderung
  • Produkte, die speziell für die Reinigung, Desinfektion oder Sterilisation der in Artikel 1 Absatz 4 genannten Produkte und der in Absatz 1 dieses Spiegelstrichs genannten Produkte bestimmt sind

Rechtliche Bindung der Begriffsbestimmungen

Die in Artikel 2 aufgeführten Begriffsbestimmungen sind rechtlich bindend und bilden die Grundlage für die Umsetzung und Durchsetzung der MDR. Sie gelten für alle Akteure im Medizinproduktebereich, einschließlich Hersteller, Importeure, Händler und Gesundheitsdienstleister. Die Begriffsbestimmungen stellen sicher, dass alle Beteiligten dieselben Definitionen verwenden, was insbesondere in grenzüberschreitenden Kontexten unerlässlich ist.

Für Hersteller bedeuten diese Definitionen klare Leitlinien, welche Produkte unter die MDR fallen und welche Anforderungen sie erfüllen müssen. Für Behörden dienen sie als Maßstab, um die Einhaltung der Verordnung zu prüfen. Gleichzeitig geben sie auch Anwendern, wie Ärzten und Gesundheitseinrichtungen, Sicherheit, dass die von ihnen verwendeten Produkte den hohen Standards der MDR entsprechen.

Unterschied zwischen Zubehör und Medizinprodukt

Der Unterschied zwischen einem Zubehör und einem Medizinprodukt ist in Artikel 2 Absatz 2 klar definiert. Während ein Medizinprodukt eigenständig eine medizinische Funktion erfüllt, ist Zubehör ein unterstützendes Element. Zubehör wird vom Hersteller speziell dafür entwickelt, die Funktion eines oder mehrerer Medizinprodukte zu unterstützen oder zu ermöglichen. Ein typisches Beispiel für Zubehör ist eine Software, die Daten eines Medizinprodukts verarbeitet und analysiert, oder ein Ladegerät für ein implantierbares Gerät.

Die Einstufung als Zubehör hat rechtliche Konsequenzen, da Zubehör ebenfalls die Anforderungen der MDR erfüllen muss. Dies stellt sicher, dass alle Bestandteile eines Systems, sei es das Hauptgerät oder unterstützendes Zubehör, denselben Qualitäts- und Sicherheitsstandards entsprechen.

Abgrenzung zwischen Medizinprodukten und Wellness- oder Gesundheitsgeräten

Die Abgrenzung zwischen Medizinprodukten und Wellness- oder Gesundheitsgeräten ist oft komplex, insbesondere in einer Zeit, in der innovative Technologien wie Smartwatches, Körperwaagen und Fitness-Tracker zunehmend in den Alltag integriert werden. Diese Geräte können Gesundheitsdaten messen und aufzeichnen, erfüllen jedoch nicht automatisch die Kriterien eines Medizinprodukts gemäß der MDR. Es ist entscheidend, den Unterschied zu verstehen, da dies Auswirkungen auf regulatorische Anforderungen, Sicherheitsstandards und Verbrauchervertrauen hat.

Ein Wellness- oder Gesundheitsgerät wird in der Regel nicht als Medizinprodukt eingestuft, wenn es primär zur Unterstützung des allgemeinen Wohlbefindens dient und keine spezifischen medizinischen Zwecke erfüllt. Ein klassisches Beispiel ist eine Smartwatch, die Schritte zählt, Kalorienverbrauch schätzt und grundlegende Fitnessdaten wie die Herzfrequenz misst. Solche Funktionen zielen darauf ab, den Nutzer zu einem gesünderen Lebensstil zu motivieren, ohne dabei medizinische Diagnosen oder Behandlungen zu ermöglichen. Solange der Hersteller keine medizinische Zweckbestimmung angibt, unterliegt das Produkt nicht der MDR.

Anders verhält es sich, wenn ein Gerät spezifische medizinische Funktionen erfüllt oder in der Lage ist, gesundheitliche Zustände zu überwachen, die für eine Diagnose oder Behandlung relevant sind. Beispielsweise könnte eine Smartwatch, die Elektrokardiogramme (EKG) aufzeichnet oder Warnungen bei unregelmäßigem Herzrhythmus ausgibt, als Medizinprodukt gelten. Die Zweckbestimmung des Herstellers ist hierbei der entscheidende Faktor: Gibt der Hersteller an, dass das Gerät medizinisch relevante Daten liefert, muss es die Anforderungen der MDR erfüllen und eine Konformitätsbewertung durchlaufen.

Ein weiteres Beispiel ist eine Körperwaage. Eine herkömmliche Waage, die lediglich das Gewicht misst, wird nicht als Medizinprodukt betrachtet, da sie keinen medizinischen Zweck erfüllt. Hingegen kann eine Waage, die Körperfett, Muskelmasse und andere biometrische Parameter misst, als Medizinprodukt eingestuft werden, wenn diese Messwerte zur Diagnose oder Behandlung von Krankheiten, wie Adipositas oder Essstörungen, verwendet werden sollen. Auch hier ist die Zweckbestimmung des Herstellers entscheidend: Wird das Gerät als Hilfsmittel zur medizinischen Überwachung beworben, gelten die strengeren Vorschriften der MDR.

Die Abgrenzung zwischen medizinischen und nicht-medizinischen Geräten ist nicht nur für Hersteller wichtig, sondern auch für Verbraucher, die oft nicht wissen, ob sie sich auf die Genauigkeit und Zuverlässigkeit solcher Geräte verlassen können. Für Hersteller bedeutet die Einstufung als Medizinprodukt eine umfangreiche regulatorische Verantwortung, während Verbraucher durch die MDR darauf vertrauen können, dass zugelassene Medizinprodukte strenge Sicherheits- und Qualitätsstandards erfüllen.

Vier wichtige Definitionen im Detail

1. Medizinprodukt

Die Definition des Medizinprodukts ist die zentrale Grundlage der MDR. Sie legt den Rahmen fest, welche Produkte unter die Verordnung fallen. Dies umfasst nicht nur klassische medizinische Geräte wie Herzmonitore oder Prothesen, sondern auch moderne Technologien wie Software, die beispielsweise Bildanalysen in der Radiologie durchführt. Auch Produkte zur Empfängnisverhütung oder -förderung sowie Produkte zur Reinigung oder Sterilisation medizinischer Geräte fallen unter diese Definition.

Die umfassende Definition dient dazu, sicherzustellen, dass neue Technologien und innovative Produkte ebenfalls den hohen Anforderungen der MDR unterliegen. Dies ist besonders wichtig in einer Zeit, in der digitale Technologien und Künstliche Intelligenz zunehmend im medizinischen Bereich eingesetzt werden.

Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden muss, ist die Entwicklung von hybriden Produkten, die Elemente von Medizinprodukten und Arzneimitteln kombinieren. Diese Produkte erfordern eine besonders sorgfältige Abwägung, ob sie primär als Medizinprodukt oder als Arzneimittel eingestuft werden.

2. Sonderanfertigung

Eine „Sonderanfertigung“ ist ein Produkt, das speziell auf Anweisung eines Fachmanns für einen einzelnen Patienten angefertigt wird. Diese Definition ist in Artikel 2 Absatz 3 zu finden. Sonderanfertigungen sind beispielsweise Zahnimplantate, die individuell an die Bedürfnisse eines Patienten angepasst werden.

Produkte, die serienmäßig hergestellt und lediglich angepasst werden, gelten nicht als Sonderanfertigungen. Diese klare Abgrenzung hat rechtliche Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die Konformitätsbewertung und die CE-Kennzeichnung. Sonderanfertigungen unterliegen vereinfachten Verfahren, müssen jedoch ebenfalls sicher und wirksam sein.

Hersteller solcher Produkte müssen sorgfältig dokumentieren, dass es sich tatsächlich um eine Sonderanfertigung handelt. Dies schließt auch eine schriftliche Anordnung durch einen qualifizierten Fachmann ein, der die genauen Spezifikationen festlegt. Dadurch wird sichergestellt, dass der Begriff nicht missbräuchlich verwendet wird, um Anforderungen zu umgehen.

3. Einmalprodukt

Ein „Einmalprodukt“ ist ein Produkt, das nur für den einmaligen Gebrauch bei einem Patienten vorgesehen ist. Diese Definition, zu finden in Artikel 2 Absatz 8, ist besonders relevant für Produkte wie Spritzen, Kanülen und Verbandmaterialien. Der einmalige Gebrauch minimiert das Risiko von Infektionen und anderen Komplikationen.

Hersteller müssen sicherstellen, dass Einmalprodukte entsprechend gekennzeichnet sind und dass sie nicht für die Wiederverwendung geeignet sind. Gleichzeitig müssen Anwender diese Produkte gemäß den Anweisungen verwenden, um die Patientensicherheit zu gewährleisten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Entsorgung von Einmalprodukten. Da viele dieser Produkte aus Kunststoff bestehen, stellt die Einhaltung umweltfreundlicher Entsorgungsrichtlinien eine Herausforderung dar. Hersteller sind zunehmend gefordert, nachhaltige Alternativen zu entwickeln.

4. Klinische Bewertung

Die „klinische Bewertung“ ist ein zentraler Bestandteil der MDR. Sie bezeichnet den systematischen Prozess, durch den die Sicherheit und Leistung eines Produkts überprüft werden. Dies umfasst die Sammlung und Analyse klinischer Daten aus Prüfungen, wissenschaftlicher Literatur und Erfahrungen nach der Markteinführung.

Eine klinische Bewertung ist unerlässlich für die CE-Kennzeichnung eines Produkts. Sie stellt sicher, dass das Produkt bei der vorgesehenen Verwendung sicher und wirksam ist. Hersteller müssen diese Bewertung kontinuierlich aktualisieren, insbesondere wenn neue Daten aus der Marktüberwachung verfügbar werden.

Zusätzlich fordert die MDR, dass klinische Bewertungen auf nachvollziehbaren und wissenschaftlich fundierten Daten basieren. Dies erhöht den Druck auf Hersteller, hochwertige und umfassende klinische Studien durchzuführen. In einem zunehmend globalisierten Markt wird auch die Anerkennung internationaler Studien immer wichtiger.

Fazit

Artikel 2 der MDR bietet eine umfassende Liste von Begriffsbestimmungen, die für das Verständnis und die Anwendung der Verordnung unerlässlich sind. Von der Definition des Medizinprodukts über die Unterscheidung von Zubehör bis hin zu spezifischen Begriffen wie Sonderanfertigungen und Einmalprodukten – diese Definitionen bilden die Grundlage für die Einhaltung der MDR.

Ein tiefes Verständnis dieser Begriffe ist für Hersteller, Händler, Behörden und Anwender gleichermaßen wichtig. Es stellt sicher, dass Medizinprodukte den höchsten Standards entsprechen und sicher in der Patientenversorgung eingesetzt werden können.

Originalartikel zum MDR Artikel 2

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